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Die Moderne und die persische Literatur
تاريخ نگارش : ۲۶ آذر ۱٣٨۴

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Mirza Agha Asgari (Mani )
 
Die Moderne und die persische Literatur
 
Übersezt ins Deutsche von Prof. Dr. Parwiz Sadighi
 
Mit einem Exkurs über die Inhalte und Visionen der im Ausland entstandenen persischen Poesie
 
 
 
Eine nicht adäquate Rezeption der Moderne kann ihre Aneignung nachhaltig stören. Dabei steht die Moderne in Kunst und Literatur mit den Entwicklungen in Kultur und Gesellschaft in engem Zusammenhang. Sie kann daher nicht für alle Völker gleichbedeutend sein - angesichts der Diskrepanz ihrer wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, technischen und kulturellen Entwicklung. Zum Beispiel ist die literarische Moderne in Afghanistan nicht mit der Moderne in der französischen, deutschen, amerikanischen Literatur gleichzusetzen, sondern sie besitzt jeweils   landesspezifische Eigenschaften und Normen. Obwohl der Kunst und der Literatur keine Grenzen gesetzt sind und sie in keinem Land der Welt ein Visum benötigen, entfaltet sich die Moderne in verschiedenen Kulturen keinesfalls nach dem gleichen Muster.
 
Die Kunst und die Literatur Irans betreffend stellt sich die Aufgabe, ein adäquates und aktuelles Verständnis der Moderne zu erlangen, das mit der Entwicklung der sozialen und kulturellen Struktur Irans übereinstimmt und sie dazu noch bereichert. Die Heterogenität der Moderne in den unterschiedlichen Kulturen soll nicht implizieren, dass die eine der anderen überlegen sei. Die Geschichte der iranischen Poesie zeigt, dass es sogar in den vom Nomadentum geprägten Kulturen fortschrittlich denkende und avantgardistische Dichter gab, die in ihrer Zeit große Neuerungen in der Dichtung zustande brachten. Das Chayyamsche Gedicht gehört immer noch zum Kanon der Moderne. Forugh Farrochzad, Ahmad Schamlu und viele andere iranische Dichter produzierten dem rückständigen kulturellen Umfeld zum Trotz überaus aktuelle sozialkritische Poesie und Liebesgedichte.
 
Im Gegensatz zur Annahme einiger im Ausland lebenden persischen Künstler, welche die Moderne auf formalistischen Korrekturen reduzieren, ist die Moderne in meinen Augen die Darstellung des Neuen in adäquaten Formen. Die Modernität in der Poesie ist also nichts anderes als die Präsenz der epochalen Essenz in Formen, die ihr nicht widerstreben.
 
 
Über Inhalte und Visionen der Poesie in der Diaspora
      
Die in den letzten zwanzig Jahren in der Diaspora entstandene persische Poesie ist ein ernstzunehmender und unzertrennlicher Teil der heutigen iranischen Literatur, da sie auf der   gleichen Sprache basiert. Die Gemeinsamkeit in der Sprache und die gleichen kulturellen Hintergründe verhindern jedoch nicht unterschiedliche Entwicklungen in struktureller, sprachlicher und inhaltlicher Hinsicht. Auf Grund der gegebenen Verhältnisse und Bedürfnisse entstehen in Iran und der Diaspora jeweils entsprechend andere Formen. Heute lassen sich - nach über 20 Jahren im Ausland produzierter Literatur - erste Grundzüge der Diaspora-Poesie erkennen.
 
Der Begriff „Diaspora-Poesie“ soll hier all jene Gedichte bezeichnen, die von im Ausland lebenden Iranern verfasst wurden. Die Diaspora-Poesie wird sowohl von Kriegsflüchtlingen und Immigranten als auch von Auswanderern und Vertriebenen produziert. Alle im Ausland lebenden Dichter, ob Alt oder Jung, ob Vertriebene oder Immigranten, schreiben sowohl nostalgische, als auch zukunftsgewandte und dem aktuellen Lebensraum verpflichtete Texte. Fast alle in der Diaspora lebenden persischen Dichter beschäftigen sich in ihren Texten mit Diskursen und Fragmenten, die auf ihr vergangenes Leben in der Heimat wie auf ihren jetzigen Lebensraum und ihre Eindrücke als einem intelligenten Wesen von einer sich ständig verändernden und disharmonischen Welt zurückzuführen sind. Es liegt auf der Hand, dass die Dichter, die aus freien Stücken ihre Heimat verließen, sich keineswegs völlig ihrer Ursprungskultur entledigen können, die ihr Denken und ihre Psyche strukturiert hat. Sie sind nicht imstande, in einem Willensakt alle Erinnerungen, das Wissen und das Gewohnte aus ihrem Denken und ihrer Sprache zu tilgen und sich in gänzlich neue Personen zu verwandeln. Auch die vertriebenen Dichter können sich den Einflüssen der neuen Umgebung nicht entziehen.
 
Die Poesie der Diaspora weist im Vergleich zur Poesie im Inland eine andere Auffassung der Themen „Heimat“, „Sein“, „Tod“, „Fremde“, „Heimatlosigkeit“, „Freiheit“, „Geschichte“ und „Politik“ auf. Hinzu kommt das Thema der Auswanderung und der Vertreibung.   Das eigentliche Merkmal der Dichtung einiger ausgewanderter Poeten aber ist ihr modifizierter Blick auf die Welt und das Leben. Die Diskrepanzen zwischen dieser Dichtung und der in Iran entstandenen Dichtung ist in drei Themenbereichen darzustellen:
 
a. Kulturelle Diskrepanzen
b. Strukturelle Diskrepanzen in der Dichtung
c. Sprachliche Diskrepanzen in der Dichtung
 
In diesem Vortrag wird lediglich der erste Themenbereich - „die kulturelle Diskrepanz“ - behandelt.
 
 
Die kulturelle Metamorphose
Diese Metamorphose umfasst alles, was mit der Ideologie, den Ritualen,   Liebsbeziehungen und Emotionen, der Reaktion auf das Umfeld, der Auffassung der Vergangenheit und der Geschichte einhergeht. Sie vollzieht sich in der Dichtung der Auswanderer zögernd   aber stetig. Deutlicher tritt sie in den Texten jener Dichter hervor, die in ihrer neuen Lebenswelt der totalen Andersartigkeit von Kultur begegneten.
 
 
Das Ende der kulturellen Oligarchie
Die Poesie der Diaspora sucht in den letzten zwanzig Jahren die alte Haut der kulturellen Oligarchie abzustreifen. Diese Oligarchie, die in der formalen Struktur der Dichtungen sowie in   ihren Inhalten zum Ausdruck kam, war mit dem Patriarchat verbunden. In der ferneren Vergangenheit musste man mindestens 20 000 Gedichte der Klassiker auswendig lernen, um überhaupt das Feld der Poesie betreten zu können. Auch zum Beginn der Moderne war das Wissen um klassisches sowie das Nima´sche Versmaß und Metrum die Voraussetzung zur eigenen Dichtung.
Nach der Etablierung der Schamlu‘schen „Weiße Gedichte“ war die Bekanntschaft mit dem klassischen Erbe, dem Nima‘schen Versmaß und der Technik der Wortmelodie Schamlus unverzichtbar, um überhaupt anfangen zu dürfen. Außerhalb der iranischen Grenzen gilt, besonders   für junge Dichter, dies alles nicht mehr -   jeder, der es möchte, kann zur Feder greifen und ohne jegliche Vorkenntnisse seine Ergüsse als Gedicht zu Papier bringen.   
 
Die kulturelle Oligarchie erschien in den Anleihen der Dichter aus dem Reservoir klassischer Dichtung wie von Hafis und Attar und half damit, das altertümliche Gedankengut zu tradieren. Die jungen Dichter in der Diaspora aber zitieren selten die Worte der poetischen Klassiker. Vielmehr sind ihre Gedichte mit modernen Bildern aus ihrem westlichen Exilland und von Wörtern wie U-Bahn, Sexshop oder Kirchenglocken durchsetzt. Obwohl der Versuch, alle Diaspora-Gedichte auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, auf Grund der Vielfalt der Texte fast unmöglich erscheint, lassen sich doch folgende Gemeinsamkeiten erkennen.
 
 
1. Die Urbanität
 
Eine der Besonderheiten der Moderne ist die Widerspiegelung des urbanen Lebens in der Kunst und Literatur. Die Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Lebensformen ist eine Eigenschaft des urbanen Lebens. In Opposition zu den ideologisch-religiösen Grabenkämpfen in der etablierten persischen Literatur nimmt die Poesie der Diaspora eine tolerante, pluralistische und dem Patriarchat gegenüber kritische Haltung ein, die   einen verwandelten und frischen Blick auf die Welt ermöglicht.  
 
 
2. Die Humanität und die Individualität
Die Urbanität basiert auf dem Recht der freien Entwicklung des Individuums. Das „Ich“ wird in einer urbanen Gesellschaft nicht im „Wir“ aufgelöst. Die Poesie der Diaspora beruft sich auf das Recht der Individualität und befreit sich allmählich vom Joch der Ideologie jeglicher Art, ohne sich dabei von der sozialen Verantwortung zu lösen. In dieser Eigenschaft ist diese Poesie antiautoritär und polyvalent.
 
 
3. Die Ablehnung des Nationalismus
Nationaler und kultureller Chauvinismus geht mit der Moderne nicht konform. Falscher Stolz auf
die ruhmreiche nationale Vergangenheit, womit oft die gegenwärtige Rückständigkeit verdeckt wird, ist mit einer humanistisch eingestellten Weltliteratur nicht vereinbar. Die moderne Poesie der Diaspora überschreitet die nationalen Grenzen, ohne ihren nationalen und lingualen Ursprung zu verleugnen.
 
 
4. Die Ablehnung der Todeshuldigung
Die persische Literatur huldigt, besonders da, wo sie einer fundamentalistischen, machtorientierten Einstellung dient, zwei Arten des Todes: dem Märtyrertod   für den Glauben   und der Tötung Andersdenkender. Die Anleitung der Leserschaft zum Töten oder Getötet werden und der Gedanke, sich durch die Vernichtung anderer Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen, hat keinen Platz in der modernen persischen   Literatur der Diaspora. Sie ist vielmehr das Instrument der Toleranz und Koexistenz.
 
 
5. Die irdische Sexualität
Eine der Herausforderungen der neueren persischen Literatur ist immer noch die Tilgung der patriarchalischen Komponenten, die sich durch die lange Männerherrschaft in unserer Gesellschaft, in unserem Denken eingenistet haben.   Es ist ein Erbe unseres kollektiven Unbewussten.
 
Das Geschlecht der Geliebten ist normalerweise in der älteren und neueren persischen Poesie nebulös. Während in der klassischen Poesie der Geliebte geschlechtsneutral dargestellt wird, lässt die moderne Poesie die Geliebten ihre irdischen Züge zurückgewinnen. Die Liebe findet in der Poesie der Diaspora reale Konturen und die platonische Liebe weicht der dionysischen Liebe. Auch   die homosexuelle Liebe findet ihren Platz wie z. B. im   folgenden Gedicht von Sanober:
 
„Anstatt der Schwere eines männlichen Körpers / auf meinen Intimitäten / empfand ich durch die Grazie der Fingerspitze einer Frau / das tiefste Gefühl der Erde / küss mich / damit ich im Feuer meiner Begierde / das Gesetz verbrenne / das die lesbische Liebe verbietet.“ [1]
 
Oder in einem Gedicht von Qubad:
 
„Wir legten uns gegenseitig jene Schale voller Wärme an den Mund / gaben einander jenes köstliche Getränk zum Trinken / dann als es Morgen wurde / und mir der Tau deiner Männlichkeit über die Blüte der Finger glitt / vereinten sich unsere Lippen und Herzen / wir beide wurden zu einem und demselben Mann / und die Sonne ging auf.“ [2]
 
Manchmal werden sogar mehrere Geliebte angesprochen - und getadelt - wie in einem Gedicht von Saqi Qahraman:
 
„Eure Blicke / eure Lippen / sogar eure Fingerspitzen / die bald mich, bald einen Stern streicheln / mich in den Schlaf wiegen und mit einem Stöhnen in der Farbe des Genießens aus dem Traum erheben / ... / aber ihr versteht es nicht und macht nur euren Penis steif.“ [3]
 
 
 
6. Nostalgie
Fast alle ausgewanderten Dichter, sogar diejenigen, die sich von nationalistischen Gedanken verabschiedet haben, verfassen Gedichte nostalgischen Inhalts. Die Heimat ist die Zeit, der Ort und die Sprache, die die Kindheit bestimmen. Der Mensch kann sich den Erinnerungen seiner Kindheit nicht entziehen. Die Sehnsucht nach Heimat ist nach wie vor ein entscheidendes Moment der Poesie der Diaspora. Der ausgewanderte Dichter wird oft durch Düfte und Farben stimuliert, sich auf seine Kindheit und Heimat zu besinnen; wie in diesem Gedicht von Hamidreza Rahimi:
 
„Wie bekannt kommt sie mir vor / diese Pflanze / wie nah ist ihr Duft, ihre Farbe meiner Erinnerung / ihr Verdorren / mit den schmerzenden Wurzeln in fremder Erde / ähnelt aber mir“. [4]
 
 
 
7. Das Klima und die Gefühle
 
Je nach dem, in welchem Land die Ausgewanderten leben, tauchen besondere Gefühlsausdrücke in ihren Gedichten auf. Die persischen Dichter, die in den kühleren westeuropäischen und skandinavischen Ländern Zuflucht fanden, schreiben mehr Gedichte melancholischen, düsteren und hoffnungslosen Inhalts. Je höher die Selbstmordrate in einer Gesellschaft ausfällt, desto mehr entstehen Gedichte über Themen wie „Tod“, „Einsamkeit“ und „Enttäuschung“. Diese Reaktion ist nicht nur auf die Unfähigkeit des Dichters zurückzuführen, sich den Umständen in seinem Gastland anzupassen. Die hiesige Gesellschaft tut durch die Isolation und Diskriminierung der Eingewanderten ein übriges und verhindert dadurch deren Integration.
 
Die Gedichte der in den USA lebenden Dichter, besonders im Süden, wo die Natur reichliche Angebote an klaren Sternenhimmel, Sonnenschein, und Meereswellen bereitet, sind voller munterer Ausdrücke. So gesehen wirkt sich das Klima der Gastländer auf die Gestaltung der Poesie der Diaspora aus.
 
 
8. Zorn und Hass
 
Die Mehrheit der persischen Dichter sind keineswegs aus freien Stücken immigriert.   Der Verlust der Mutterkultur und der Heimat schürte lange die Wut gegen die religiösen Herrscher. Obwohl die Flammen dieses Zorns hier und da noch lodern, führt die Erkenntnis, dass nicht die politischen Inhalte sondern die ästhetischen Komponenten ein Gedicht auszeichnen, zu einer allmählichen Mäßigung. Der zornige Ausdruck, der immer ein Sprachmittel der sozial engagierten Literatur war, zeigt sich nicht mehr in pathetischen Worten, sondern gibt sich vielmehr ästhetisch. Durch diese Revision und Mäßigung entsteht meines Erachtens eine wirksame und bleibende Lyrik.          
 
 
9. Einsamkeit und Nihilismus
 
Die Einsamkeit, die Sinnlosigkeit und Apathie bilden die Inhalte vieler Gedichte in der Diaspora. Die misslungene Integration in die Gastgesellschaft, die Trennung von der Familie, den Freunden und die Konflikte innerhalb der iranischen Gemeinde in der Diaspora sind für die   weite Verbreitung von Hoffnungslosigkeit, Apathie und Nihilismus unter ausgewanderten Iranern verantwortlich. Diese Stimmung ist auch in den Gedichten der in Iran lebenden Poeten vorhanden, doch nicht in dem Maße, wie unter den im Exil lebenden Literaten. Es gibt praktisch keinen einzigen ausgewanderten Dichter, der nicht in mehreren Gedichten diese Thematik streifte
 
 
 
Literaturliste:
 
1) Qahraman, Saqi:: Gedicht. In: Az Drug, Canada 1996
2) Qubad: Gedicht. In: Human Nr. 12, Canada 1997
3) Rahimi, Hamid-Reza: ebd.
4) Sanober: Gedicht. In: Daftere Schnakht Nr. 5 ( Sonderausgabe für die Dichtung der Immigration),   Canada 1998
 
 
 
[1] Sanobar: Daftare Schnakht Nr. 5, S. 25
[2] Qobad: Human, Nr. 12, S. 32
[3] Qahraman, Saqi: Az Dorug, S. 50 - 96
[4] Rahimi, Mohammad-Reza: Daftere Schnakht, Nr. 5, S. 182





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